WEISSE WÖLFIN

Wieder, weiße Wölfin, habe
Ich im Schlaf geküßt dich und
Glückes Lohe, Traumes Gabe,
Blutet noch in meinem Mund. 

Aus dem Flöz der Nacht entstiegen,
Liebe, Rausch und Wahn im Fang,
Kamst du zu mir hin, verschwiegen,
Heimlich, leicht, gleich Schattensang. 

Wohin zogst du, schöne Fähe?
Ohne dich bin ich allein!
Ich vermisse deine Nähe,
Um ein Wolf, um frei zu sein.

Leise lecktest meine Wangen
Du und tiefer wurde mein
Traum aus purpurnem Verlangen,
Lang gehegt, wie edler Wein. 

Uller rief uns in den Winter,
Zu der Berge stillem Heil,
Und ich flog entfesselt hinter
Dir her, als des Frostes Pfeil. 

Runen blitzten eiskristallen,
Woben sich in unser Fell,
Flammten auf den Zähnen, Krallen,
In den Augen, sternenhell. 

Reich der Gipfel, Reich der Stürme,
Reich, entzweit vom Bürger-Lot,
Reich der Alabastertürme
Uns gemäße Heimstatt bot. 

Wir, nah bei der Wolkenküste,
Die kaum sehrte lauer Lenz,
Waren Blizzards, Tänze, Lüste,
Auserkoren, ganz Essenz. 

Deine Lefze, blütenzarte,
Bot Geheimnis und Genuß:
Odin sich mir offenbarte,
Haut an Haut und Kuß um Kuß. 

Nie war ich im Leben freier,
Alte Sinne hielten Mahd,
Fern von städtischem Geseier:
Heimkehr unterm Sonnenrad… 

Jäh erwacht, auf nassem Kissen,
Liege ich, der Morgen graut,
Und das Laken, fast zerrissen,
Nesselt meine Menschenhaut. 

Ich ertrinke in den Flüssen
Fahlen Lichts, das nichts gebärt,
Sehne mich nach deinen Küssen,
Nach dem Schlaf, der immer währt.

Gedicht-Band „Wilder Kaiser“