Bekanntlich entstammt der Bandname einem Gedicht Mörikes. In besagtem Gedicht wird ein Paradies beschrieben, in dem Harmonie herrscht. Soll Eure Musik demzufolge eine Art klangliches Refugium erschaffen, das dem Hörer einen künstlichen Idealzustand vorgaukelt, und sei es nur deshalb, um ihm einen Eskapismus vom drögen Alltag zu offerieren?

Mit Eskapismus hat unsere Musik nichts zu tun, wir sind bodenständiger als man vielleicht beim oberflächlichen Hören vermuten mag. Menschen aus ihrem vermeintlich „drögen“ Alltag herauszuholen soll auch nicht Aufgabe des Künstlers sein, das wäre einfach und billig. Nein, wir bieten keine Fluchtmöglichkeit für Alltagsüberdrüssige, wir sind nicht Teil einer westlichen Unterhaltungsindustrie, die sich ebendies auf ihre Fahnen geschrieben hat. ORPLID mag einen Idealzustand beschreiben, jedoch keinen, der ergaukelt oder erkauft, wohl aber erträumt und erkämpft werden kann.Gibt es aber vielleicht völlig andere bzw. zusätzliche Gründe, die Euch dazu bewogen, den Bandnamen zu wählen?

Das Bild einer Insel jenseits vom gottlosen Treiben der Gegenwartswelt, paßte bestens zu unserem künstlerischen Anliegen. Das Eiland ORPLID sollte ein Treff- punkt für kreative Geister sein, so wie der Präraphaeliten-Bund oder der Worpsweder Künstlerkreis. Uns fehlte es aber damals an der nötigen Ausdauer & Weitsicht, um dieses Projekt entsprechend des hohen Anspruchs zu realisieren. Im Prinzip setzen meine Künstlerfreunde, Weggefährten und ich nun bei noltex.de fort, was ursprünglich
nur für ORPLID angedacht war: wir bündeln schöpferische Energien uns verwandter Geister für ein einziges Ziel: die Rückkehr der Schönheit in die Kunst!

Wie muss man sich die Arbeitsteilung innerhalb der Band vorstellen? Warum ist Frank für die ganze Musik zuständig, während Uwe generell eher für das Visuelle und Lyrische zuständig zu sein scheint? Warum ist Uwe nicht tiefer musikalisch involviert? Warum schreibt der Sänger nicht seine Texte selbst?

Jeder sei seinem Talent entsprechend Meister. Texte und Musik bedingen einander und Frank genießt seit Jahren mein vollstes Vertrauen.

Wie wichtig ist die visuelle Komponente Eurer Musik? Unterstreicht sie den Inhalt oder führt sie das Geschaute bildhaft weiter? Oder steht das Bildhafte für sich alleine und hat demzufolge eher eine ergänzende Funktion zur Musik?

Wir könnten auch einfach „nur“ eine weitere Veröffentlichung rauspurzeln lassen, aber „Sterbender Satyr“ ist mehr oder weniger als ein Gesamtkunstwerk gedacht, daß wir den Freunden unserer Kunst darbringen, um ihnen bleibende be-sinnliche Momente zu bereiten.

Uwe, was kann man mittels der Fotographie ausdrücken, was die Musik nicht auszudrücken vermag? Warum sind es gerade mythologische Motive, die Du fotographisch umzusetzen versuchst?

Musik, Texte und Bilder könnten auch für sich allein Geltung haben. Ansonsten stehe ich kurz gesagt dem Reich der Mythen näher als der gegenwärtigen Welt. Mich interessiert das Hier und Jetzt kaum. Das war schon als Kind so. Erklären kann ich das nicht. Irgendwann verschwinde ich einfach im Kyffhäuser. Versprochen!

Welche Funktionen haben Deine beiden Seitenprojekte Barditus und Sonnentau? Vielleicht dienen sie dazu, all das, was nicht zu Orplid passt, künstlerisch umzusetzen? Unterliegen die beiden Projekte einer gewissen musikalischen / inhaltlichen Präkonzeption?

Was sollte nicht zu ORPLID passen? Aber davon abgesehen sind es nie „meine“ Musikprojekte, sondern immer nur Resultate, die durch die spezielle Chemie mit dem entsprechenden Mitstreiter entstehen. Bei ORPLID waren es eben Volker Willhardt, Claudia Arndt und später dann hauptsächlich Frank Machau und bei den anderen Geschichten ist es eben Andreas Arndt, mit dem ich den NolteX-Kunstverlag betreibe. Gerade haben wir eine wundervolle Hermann Hesse-Liedersammlung fertiggestellt, auf die ich sehr stolz bin. Auch BARDITUS und SONNENTAU sind darauf in gewohnter Klasse vertreten, einmal sogar mit Ian Read.

Meiner Meinung nach ist eure Musik sehr pathetisch. Seid ihr euch dessen bewusst? Wenn ja: Was soll diese Feierlichkeit bewirken?

Was diese Feierlichkeit bewirken soll? In der Frage liegt schon die Antwort verborgen: Feierlichkeit! Das Leben, jeder Atemzug und Moment sind nun mal etwas Einzigartiges. Wer mit diesem Bewußtsein lebt, wird unsere Kunst begreifen als eine ganz natürliche Reflexion erlebter Dinge in etwas abstrahierter Form. Intellektuelles Gefasel oder gar Drogen sind keine Schlüssel zur Kunst. Um sein Bewußtsein zu erweitern, sollte man erst mal (s)ein Bewußtsein entwickeln. Das ist unser eigentliches Anliegen. Unser Motto könnte somit lauten: „Geh auf die Suche und entdecke dich!“.

Wie zufrieden seid ihr mit eurem Eintrag in Looking For Europe? Stellt er die Band adäquat dar? Fehlt etwas? Wie bewertet ihr dieses Buch?

Das Buch selbst habe ich noch nicht begutachten können, aber es wird schon etwas für die Freunde der entsprechenden Musikrichtung sein. Generell finde ich jedes – auch mir nicht ästhetisch zusagende – Engagement gut, sobald es sich gegen die Monokultur der Musikindustrie und geistige Vers(ch)lammung richtet.

Sterbender Satyr kontrastiert das Folkloristische, mit kalten, maschinen- generierten Klängen. Worin liegen die Gründe, dass nun verstärkt synthetische Töne auftauchen? Seht ihr euch denn noch als Folkband?

Ich sah und sehe uns als ORPLID an – mehr nicht.

Beschäftigt man sich mit eurer Musik, stößt man immer wieder auf Texte von klassischen/romantischen Autoren. Zufall oder doch die Faszination für diese Epochen? Sollte letzteres der Fall sein: welche Autoren – und warum gerade diese – faszinieren euch am meisten?

Fasziniert bin ich eigentlich nur noch von der Freiheit, welche Individualität einräumen kann. Alles ist möglich – und nichts! Irgendwann sieht man die Welt mit eigenen Augen und dann benötigt man keine Idole mehr. Daß wir mit ORPLID haupt- sächlich klassische Dichter vertonten ist dem traurigen Umstand geschuldet, daß es heutzutage – außer Uwe Lammla und Rolf Schilling – keine Dichter mehr in Deutschland gibt.

Was verstehst du genau unter Neuer Deutscher Dichtung? Ein Pendant zur Neuen Deutschen Welle?

Es ist bekannt, daß Deutschland weltweit den Ruf genießt, das „Land der Dichter und Denker“ gewesen zu sein. Warum das nicht mehr so ist, kann sich jeder, der wachsam durchs Leben schreitet an zehn Fingern ablesen. Dazu muß man allerdings mal den Kopf von der allzu bequemen Matrix-Matratze erheben und abseits von „Brot & Spielen“ die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind. Seit einigen Jahren gibt es nämlich intensivste Bestrebungen, vor allem seitens des Jahrhundert- dichters Rolf Schilling, den man als den deutschen Genius schlechthin bezeichnen kann. Weil dieses dichterische Erwachen nach langer kultureller Lethargie bahnbrechend und unbedingt idenditätsstiftend wirkt, spreche ich keck von „Neuer Deutscher Dichtung“.

Zur „Neuen Deutschen Welle“ habe ich keinerlei Bezüge, außer, daß ich einmal für eine hasenzahnige, von 99 Luftballons lispelnde Unperson den Sicherheitsdienst übernahm, als sie in Halle gastierte. Ich habe wirklich viel an Lug, Trug und „Starallüren“ erlebt in dieser Schmuddel-Branche, aber dieser strubbelhaarige, auf der Bühne von Frieden und Liebe heuchelnde und hinter den Kulissen giftspritzende Mutterkuchen, bereitete mir einen sehr nervenzerkrümelten Abend. Ganz zu schweigen von dem frivolen Bananenröckchen…

Dagegen waren Motörhead Waisenknaben, obwohl ihr Gitarrist einen Konzertbesucher vor meinen Augen verprügelte und ich für Lemmy drei Spielautomaten in die Garderobe hieven durfte, die nach „Fisch und Koks“ stank. Wenigstens trug dieses erfrischend asoziale Verhalten noch dürftige Spuren von Menschlichkeit…

Deine Texte bedienen sich oft Metaphern aus der Natur. Weshalb diese Natursprache? Und: Man kann annehmen, dass du viel in der Natur unterwegs bist?

Die Natur ist der beste Lehrmeister; sie ist ausgewogen, erprobt, hat Bestand und funktioniert sinnvoll – im Gegensatz zur heutigen Gesellschaft. Nähme ich dort meine Bezüge her, würde ich mich zweifelsohne menschlicher Unbeständigkeit ausliefern.

Ansonsten wohne ich gewissermaßen im Grünen, in einem kleinen Holzhaus, verträume meine Sommertage am selbstgegrabenen Gartenteich und friere etwas im Winter. Meine Klause steht direkt an der Pforte zur Dölauer Heide. Freunde der Archäologie werden wissen, daß sich dort zahlreiche Hünengräber, Thingplätze und ein Menhir befinden; ein sehr sagenumwobener, essentieller und inspirierender Ort.

Warum habt ihr den Satyr als mythologisches Wesen in den Titel eurer neuen CD aufgenommen? Welche Eigenschaften schätzt ihr am Satyr?

Der Satyr symbolisiert Leidenschaft, Genuß und Raserei. Damals, als ich dieses Gedicht schrieb, war mir mein sinnliches Empfinden völlig abhanden gekommen. Ich war schrecklich müde und habe mich mit dem Gedicht getröstet. Das ist das Privileg des Künstlers: man gibt seinen Dämonen eine Gestalt und befreit sich damit von ihnen. Wenn andere Menschen auch noch Freude am Werk haben, dann ist das um so schöner!